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Konstadinos Maras: Philhellenismus - Eine Frühform europäischer Integration

  408 Wörter 1 Minute 785 × gelesen
2017-05-01 2017-08-05 01.05.2017

Das wohl lesbare Buch stellt ein wichtiges Desiderat der Philhellenismus-Forschung dar. Als Mitarbeiter der Griechisch-Deutschen Initiative zu Würzburg war der Verfasser mit der Erstellung einer einschlägigen Datenbank beauftragt, so dass ihm umfangreiches Quellenmaterial  für seine  Recherchen zur Verfügung stand, wie dies ein Blick in das Literaturverzeichnis zeigt. Dem Buch liegen u.a. Vereinsdokumente älteren und jüngeren Datums, Primär- und Sekundärliteratur von internationaler Provenienz zugrunde. Das übersichtliche Inhaltsverzeichnis ermöglicht dem Leser eine rasche Orientierung über die verschiedenen Themenbereiche, paradigmatisch seien aus der Fülle des Stoffes hier in dieser Besprechung nur einige Bereiche angeführt: Die Verbildlichung des antiken Erbes, der Philhellenismus in den Staaten  Europas, die romantische Herausforderung, Staatshellenismus-Nationenbildung, und philhellenische Bilder des Unabhängigkeitskampfes.

Jeder Abschnitt stellt einen in sich geschlossenen Block dar, so dass der Leser bei besonderem Interesse Schwerpunkte in seiner Lektüre setzen kann. Mit Nachdruck weist der Verfasser darauf hin, dass sich im Gegensatz zum Philhellenismus des 19. Jahrhunderts mit seinen humanitären Aspekten die Frühform des Philhellenismus im 16. und 17. Jahrhunderts auf die Sphäre gelehrter Abhandlungen zur antiken Literatur und zur Geistesgeschichte sowie auf die künstlerische Nachahmung beschränkt. Der kenntnisreiche Verfasser kann als Ausnahme jedoch jenen Tübinger Philhellenen Martin Crusius (1526-1607) anführen, der bereits im 16. Jahrhundert notleidenden griechischen Flüchtlingen in Tübingen auch karitative und wirtschaftliche Hilfe gewährte.

Der Verfasser diskutiert weiterhin ausführlich die Begriffe „Legitimation“ und „Solidarität“. Der europäische Philhellenismus wird als Ausdrucksform zivilgesellschaftlicher Mobilisierung, und frühliberaler, nationaler Freiheitsbestrebungen, aber auch als Kooperationsprojekt mit internationalem Charakter und staatspolitisches Modernisierungsprogramm dargestellt – eben als eine Frühform europäischer Integration. Auf der Grundlage der Aufarbeitung von Bilddokumenten und Solidaritätsdiskursen der in Vereinen organisierten philhellenischen Bewegung führt die Studie eine kunst- und kulturgeschichtliche Rekonstruktion der philhellenischen Bildproduktion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. Zugleich werden Identitäts- und Wertvorstellungen des Europäischen, aber auch Feindbild- und Abgrenzungsprojektionen herausgearbeitet. Die philhellenische Ikonologie realisiert sich auf verschiedenen Ebenen:
religiös-kulturellen Identitätsprojektionen, klassizistisch-humanistischen Legitimationsstrategien und romantisch grundierten Visualisierungen des „Anderen“. Diesen Dimensionen philhellenischer Kunst sowohl während des griechischen Unabhängigkeitskampfes als auch während des Konstituierungsprozesses des neuen griechischen Staates geht die Studie durch eine wissenssoziologische Bild- und Diskursanalyse nach.  

Ein weiterer Vorzug des Buches ist darin zu sehen, dass zahlreiche inhaltsbezogene, von Künstlern der Romantik geschaffene themenbezogene Bilder den Text verlebendigen.

Alles in allem: Dieses informative und in flüssigem Stil geschriebene Buch stellt eine Bereicherung für den Leser dar, der sich mit der Materie des Philhellenismus beschäftigt.

Konstadinos Maras
Philhellenismus - Eine Frühform Europäischer Integration
Königshausen u. Neumann 2012
ISBN: 3826048016
EAN: 9783826048012
Seiten: 384

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